Manchmal sehe ich ein Bild vor mir, das mich bis heute anrührt. Meine jüngere Tochter (jetzt ist sie 24) sitzt als kleines Schulkind vor mir auf dem Sofa. Sie blättert in einem Spielzeugkatalog. Die Welt um sich hat sie vergessen und ist völlig eingetaucht in die Bilder, die sie vor sich sieht. Manchmal huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Und ich ahne, dass sie sich über etwas freut, das sie wohl nie besitzen wird. Aber jetzt, da sie es betrachtet, ist es ihres und in ihren Gedanken findet ein Spiel statt, dass sie nie wird spielen können. Alles ist Phantasie. Aber ihre Freude und ihr Lächeln sind Wirklichkeit, ihre und auch meine Wirklichkeit. So ein Zauber kann wohl nur einem Kind innewohnen, denke ich. Doch manchmal, wenn ich in der Bibel lese, geht es mir ähnlich. Wenn zum Beispiel Jesus sagt: „Selig sind die sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen“ oder wenn er denen, die nach Gerechtigkeit hungern, verspricht, dass sie satt werden sollen, dann freue ich mich an der Vorstellung, dass es sein könnte. Wahrscheinlich huscht mir dabei kein Lächeln über das Gesicht wie bei dem Kind, das in meiner Erinnerung vor mir auf dem Sofa sitzt. Und doch ist auch meine Freude Wirklichkeit, obwohl ich weiß, dass es in der Welt oft anders aussieht.
Ich weiß aber auch, dass Jesus nicht wie ein Katalog Illusionen verkaufen will. Was er sagt, ist Wirklichkeit, nicht unsere Wirklichkeit, aber Gottes Wirklichkeit. Und wenn die zur Wahrheit wird, dann werden die satt, die nach Gerechtigkeit hungern und die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen. Das ist die Wirklichkeit, die Gott uns schenken wird und das wiederum ist allemal schon jetzt ein Grund, sich darüber zu freuen.
H. Wensch, Juli 2020
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