Mai 2021
Gestern hatte ich nachts einen Traum, der vor einiger Zeit keiner Erwähnung wert gewesen wäre.
Diesmal wurde ich von ihm wach, weil er mich weiter beschäftigte. Es ist eigentlich eine ganz alltägliche Szene, die mich erwachen ließ. Ich betrat einen Laden und der Verkäufer begrüßte mich wie selbstverständlich mit einem Handschlag. Endlich wieder eine persönliche Begrüßung, habe ich erfreut gedacht. Doch dann kamen die Bedenken. Ist das erlaubt? Hast du dich oder den Verkäufer dabei sogar einer Gefahr ausgesetzt? Und genau diese Mischung aus Freude und Bedenken beschäftige mich so sehr, dass ich wach wurde. Eigentlich hat mir der Traum gezeigt, was ich seit über einem Jahr vermisse. Es ist die Unbefangenheit, die nicht nur mir, sondern vielen von uns durch Corona verloren gegangen ist. Wird sich das jetzt für uns in Lobetal ändern können, wenn alle, die es wollten, in dieser Woche die zweite Impfung erhalten haben? Ich wünsche es mir sehr und doch bin ich mir nicht sicher. Und deshalb komme ich mir momentan ein wenig vor wie der Mann, den Jesus am Teich Bethesda geheilt hat. „Steh auf, nimm dein Bett und gehe“, hatte Jesus dort zu einem gesagt, der 38 Jahre an einer Krankheit litt. „Und so gleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin“, berichtet der Evangelist Johannes weiter. Eigentlich hätte der Geheilte also glücklich sein können, denn Jesus hatte ihn geheilt und ihm so seine Freiheit zurück geschenkt. Doch der Mann blieb befangen. Man warf ihm vor, dass er am Sabbat, wo jede Arbeit verboten ist, sein Bett mit sich herumtrug. Deshalb beschuldigte er, statt sich über Gesundheit und gewonnene Freiheit zu freuen, Jesus, weil dieser ihn dazu verleitet hatte, am Sabbat etwas zu tun, was man nicht darf. Wirkliche Unbefangenheit stelle ich mir anders vor. Aber letztendlich liegt das am Geheilten selbst. Als Jesus, der Sohn Gottes, ihn fragt, ober er gesund werden will, antwortet er: „Ich habe keinen Menschen, der mich zum heilenden Wasser des Teiches bringt.“ Im Gegensatz zu dem Geheilten hatten wir viele Menschen, die Großartiges geleistet haben und noch leisten, damit wir diese schwierige Zeit bestehen können. Ihnen gilt unser besonderer Dank. Doch bei aller Dankbarkeit sollten wir nicht den selben Fehler begehen wie der Geheilte und Gott übersehen, der doch in allem wirkt. Denn im Vertrauen auf Gott können wir uns bei aller Vorsicht, die auch jetzt noch notwendig ist, unbefangen und glücklich in den Freiräumen bewegen, die wir haben.
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